Ansprache anlässlich Kundgebung gegen AfD „Bürgerdialog“

am 03.11.2023 in Osterburken

Es ist an der Zeit

In was für einer Welt, in was für einem Land, in was für einer Stadt wollen wir leben?

Was sind für uns die unverrückbaren Grundsätze menschlichen Zusammenlebens?

Annette Kurschus, die Ratsvorsitzende der EKD, erklärte am vergangenen Dienstag, dem Reformationstag:

„Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit: das ist die Heilige Dreifaltigkeit der Demokratie.“

Wir stehen hier, weil wir für Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit einstehen.

Wir stehen hier, weil es in unserem Land wiedererstarkende Kräfte gibt, die versuchen die Zustände wiederherzustellen, mit denen unser Land die ganze Welt vor gut 80 Jahren in den Abgrund gerissen hat.

Dem wollen wir unser Welt- und Menschenbild entgegensetzen und einstehen für das, was unsere Demokratie ausmacht.

Wurzeln unserer Werte

Unsere Werte gründen auf einem Welt- und Menschenbild, dass es nicht erst seit unserem Grundgesetz oder seit der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gibt.

Sie gründen auf einem Welt- und Menschenbild, dass viel, viel, älter ist.

„Gott schuf den Menschen nach seinem Bild. Als Gottes Ebenbild schuf er ihn.“
(Genesis 1,27)

So steht es ganz vorne, ziemlich am Anfang der Bibel.

Gott hat den Menschen, alle Menschen, erschaffen, und deshalb haben sie alle dieselbe Würde.

Und diese Menschenwürde ist unantastbar. So sagt es unser Grundgesetz. Auch ganz vorne. In Artikel 1.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Es ist einer von nur zwei Artikeln des Grundgesetzes, die unveränderlich sind, die nicht aus dem Grundgesetz gestrichen oder abgeändert werden können, auch wenn ich das Gefühl habe, manche Politiker bestimmter Parteien würden das gerne tun. Weil ihnen dieser Grundsatz,
vielleicht sogar unser Grundgesetz als Ganzes, lästig geworden ist.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Das heißt:

Nicht die Würde des Deutschen ist unantastbar.
Nicht die Würde der Männer
oder die Würde der Starken,
oder die Würde der Heterosexuellen,
oder derer die schon immer hier gewohnt haben,
derer mit heller Hautfarbe,
derer, die 100% fit und leistungsfähig sind
und produktiv zum Erfolg unserer Landes beitragen,
sondern die Würde aller Menschen.

Für mich, als Christen und Pfarrer, ist das alles zusammengefasst im wichtigsten aller Gebote:

Du sollst Gott lieben.
Und: Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst.
(Lukas 10,27)

Das ist der Maßstab.

Würden wir alle versuchen, nach diesem Grundsatz, nach diesem höchsten aller Gebote, zu leben, wir bräuchten für viele Dinge keine weiteren Gesetze mehr.

Oder anders gesagt:

Aus christlicher Sicht muss sich jedes Gesetz, jede Regel, jedes Verhalten egal ob das einer Einzelperson, eines Unternehmens, einer Partei oder einer Institution daran messen lassen,
inwiefern es Gott und den Menschen dient.

Jedes Gesetz, jede Regel, jede Verhaltensweise, die dem zuwiderläuft, ist unchristlich, und vermutlich in den meisten Fällen auch nicht mit unserem Grundgesetz vereinbar.

Was heißt das konkret?

Darüber, was dem Menschen dient, darüber kann und darf man unterschiedlicher Meinung sein.

Über die Abwägung, welches Verhalten dem Menschen, unserer Gesellschaft als Ganzem,
eher dient oder eher schadet, darüber kann und darf man im Einzelfall unterschiedlicher Meinung sein.

So ist das in einer Demokratie. Da müssen auch abweichende Meinungen ausgehalten und respektvoll miteinander diskutiert werden können.

Fragen wie:

Dient es dem Menschen eher, massiv die Energiewende voranzutreiben, weil es langfristig unsere Zukunft sichert, weil es uns langfristig massiv schadet weiterzumachen wie bisher, auch wenn das viele von uns sehr viel Geld kosten kann?

Oder sollten wir da eher langsamer machen?
Überfordert uns das vielleicht finanziell oder emotional?
Wie bewerte ich die wirtschaftlichen Folgen?
Wie bewerte ich die Folgen für den sozialen Frieden?
Wie bewerte ich die Folgen für die Umwelt,
wenn wir zu langsam oder gar nicht handeln?

Darüber kann und darf man unterschiedlicher Meinung sein.

Oder:

Wie ist das mit der Migration?
Das treibt im Moment ja wieder viele Menschen um. Gibt es so etwas wie eine Belastungsgrenze? Objektiv oder auch emotional gesehen?
Falls ja:
Wie vielen Menschen, die jenseits eines Asylanspruchs zu uns kommen in der Hoffnung auf ein sichereres oder vielleicht auch nur besseres Leben können oder wollen oder müssen wir helfen?

Oder hilft eine bestimmte Art der Migration sogar uns?

Wie weit soll Hilfe gehen?

Was sind neben dem Grundrecht auf Asyl (Artikel 16a GG) und der Genfer Flüchtlingskonvention die richtigen Kriterien? Wie finden wir hier einen guten Weg?

Darüber kann, darf, ja muss diskutiert werden.

Die rote Linie

Bei allen Kontroversen, bei aller unterschiedlicher Meinung, muss aber auch immer klar sein:

Es gibt rote Linien.
Es gibt ein „bis hierher und nicht weiter“!

Diese roten Linien sind im Grundgesetz verankert. Und die ultimative rote Linie, das ist die Menschenwürde.

Wo Einzelpersonen oder Parteien sich für eine Abschaffung des Grundrechts auf Asyl aussprechen, wenn sie dies möglicherweise noch damit verbinden, den Menschen, die bei uns Hilfe suchen, das Recht auf Leben abzusprechen, sie womöglich „entsorgen“ wollen, um mal eine tatsächlich verwendete Wortwahl dieser Politiker zu zitieren, dann ist die rote Linie nicht nur überschritten, sondern geradezu mit Füßen getreten.

Wenn Einzelpersonen oder Parteien meinen, es gäbe wertvolleres und weniger wertvolles,
menschliches Leben, wenn sie behaupten, Behinderungen, Herkunft, Hautfarbe,
Religion, Geschlecht, sexuelle Orientierung oder sonstige reale oder eingebildete Unterschiede
würden diese zu weniger wertvollen Menschen machen, dann ist eine rote Linie überschritten
und in den Staub getrampelt.

Antisemitismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, die Missachtung von Religionsfreiheit und jede Form der Diskriminierung sind unvereinbar mit dem christlichen Glauben und unvereinbar mit unserem Grundgesetz.

Deshalb stehen wir hier gemeinsam ein für eine offene, tolerante, bunte und vielfältige Stadt,
für ein offenes, tolerantes und vielfältiges Osterburken.

Es ist Aufgabe der politischen Parteien, der Gewerkschaften, der Verbände, all derer, die sich für die Gestaltung unserer demokratischen Gesellschaft einsetzen, dafür zu sorgen, dass alle Menschen in Würde, in Freiheit und ohne Angst in dieser unserer Gesellschaft leben können.

Es ist unser aller Aufgabe darüber zu wachen, dass alle, die in unserer Gesellschaft Verantwortung tragen oder gerne tragen würden, sich in diesem Rahmen bewegen,
den unser christliches Menschenbild und unser Grundgesetz vorgeben.

Und immer dann, wenn die Menschlichkeit auf dem Spiel steht, dann ist es unsere Pflicht als Bürger, als Kirchen, als politische Parteien, Vereine und sonstigen Institutionen unsere Stimmen zu erheben, notfalls auf die Straße zu gehen und lauthals STOP zu rufen.

Denn die Würde des Menschen die ist unantastbar!

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Pfarrer Thomas Schnücker
Osterburken, 3. November 2023

Demo Osterburken / DGB-Veranstaltung zu den Novemberpogromen

Nochmal zwei Termine zur Erinnerung – das darf natürlich gerne weiter verbreitet werden!

1.) Ein Aufruf zur Demo gegen die noAfD in Osterburken.
Wer mit der Bahn dorthin mitfahren möchte: 16:51 Uhr ab Lauda (Treffen spätestens 10 Minuten vorher am Gleis 2)

Lasst uns ein Zeichen für Offenheit und Respekt setzen!
⏰ Am 3.11.2023 um 17:30 Uhr veranstalten wir eine Kundgebung unter dem Motto „Gemeinsam für ein offenes, tolerantes und menschenfreundliches Osterburken“ als Gegendemonstration zu dem geplanten „Bürgerdialog“ der AfD in unserer Stadt.
📍Treffpunkt ist der Bahnhof in Osterburken.
🤗 Wir freuen uns über jeden, der sich der Kundgebung  anschließt und sich für eine tolerante Gesellschaft einsetzt.
Gemeinsam können wir einen Unterschied machen und eine positive Botschaft für ein respektvolles Miteinander senden.
Euer Arbeitskreis für Toleranz und Vielfalt Osterburken und teilnehmende Organisationen 🌎

2.) Einladung zum Vortrag anlässlich des Jahrestags der Novemberpogrome:
WO STEHT DIE EXTREME RECHTE HEUTE?
Antisemitismus, Rassismus, Verschwörungsmythen: Die extreme Rechte greift unsere Demokratie und unser gesellschaftliches Zusammenleben an. Anlässlich des 85. Jahrestages der Novemberpogrome gibt Timo Büchner anhand konkreter Beispiele aus der Region einen Einblick in die Aktivitäten und Strategien der extremen Rechten.
Referent: Timo Büchner
10. November 2023, Mariensaal, katholisches Gemeindehaus, Marienstrasse 1, Bad Mergentheim
Beginn 18:30 Uhr

Was tun gegen rechte Gewalt?

Podiumsdiskussion des Netzwerks gegen Rechts Main-Tauber

20230929 Podiumsdiskussion
Valéria Fekete , Alice Robra, Arnulf von Eyb, Seda Başay-Yıldız

Gerlachsheim. Die jüngste Razzia der Polizei gegen die Artgemeinschaft, unter anderem in Kupferzell, habe einmal mehr deutlich gemacht, dass es etliche rechtsextreme Aktivitäten in der Region gibt, eröffnete die Moderatorin Alice Robra vom SWR eine Veranstaltung des Netzwerks gegen Rechts Main-Tauber. Im Jahr 2023 habe es im Land laut einer Statistik der Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt bereits mehr als 130 Fälle gegeben. Was man gegen „Reichsbürger“ und rechte Gewalt in Deutschland tun kann war das Thema einer Podiumsdiskussion mit Valéria Fekete von Leuchtlinie, der Nebenklagevertreterin im Münchner NSU-Prozess, Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız, und dem Landtagsabgeordneten Arnulf von Eyb, Mitglied im NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags.

Başay-Yıldız bekannte sich als Verfechterin des Rechtsstaats, in dem alle Menschen gleich behandelt werden und in dem die Menschenwürde geachtet wird. Aus diesem Grund sei sie Rechtsanwältin geworden. Im fast fünf Jahre dauernden Münchner NSU-Prozess habe sie die Familie des ersten Opfers Enver Şimşek vertreten. Bis heute sei sie mit seiner Familie verbunden. Erschüttert habe sie, dass ihre geheimen Adressdaten von einem hessischen Polizeicomputer abgefragt und weitergegeben wurden. In einem mit „NSU 2.0“ unterschriebenen Fax wurden sie und ihre Familie daraufhin mit Mord bedroht. Ihre Tochter sei damals gerade 20 Monate alt geworden. „Als Strafverteidigerin bin ich es gewohnt beleidigt und bedroht zu werden“, berichtete Başay-Yıldız. Durch den Angriff auf ihre Familie, gegenüber der sie eine Verantwortung habe, habe sie sich auf einmal verwundbar gefühlt und sich gefragt, was wohl als nächstes passieren werde.

Arnulf von Eyb sieht sich in einer anderen, weniger persönlich betroffenen Position als seine Anwaltskollegin Başay-Yıldız, vor der er große Achtung habe. Ihn habe der Mord 2007 an der Polizistin Michelle Kiesewetter am helllichten Tag mitten in Heilbronn erschüttert, der erst Jahre später durch den Fund der dabei geraubten Polizeipistolen bei den Tätern des NSU aufgeklärt werden konnte. Seine Aufgabe sieht der Politiker vor allem darin sich darum zu kümmern, dass die staatlichen Organe einigermaßen funktionieren.

Valéria Fekete ist seit 2021 Beraterin bei Leuchtlinie, eine Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt. Mit Rechtsextremismus sei sie erstmals als Wahlhelferin in Kontakt gekommen, als sie in ihrem eigenen Wohnbezirk Stimmen für die NPD auszählen musste. Dabei sei ihr bewusst geworden, dass sie in ihrem Wohnumfeld selbst Opfer rechter Gewalt werden könnte. Sie betreue Menschen, die von rechts attackiert wurden, was von Beleidigungen in der Straßenbahn bis zu konkreten Morddrohungen reiche.

Rassistische Ermittlungen der Polizei

„Ich war entsetzt“, so Seda Başay-Yıldız, „wie die Opfer des NSU von den Sicherheitsbehörden behandelt wurden“. Die Polizei habe beim Überbringen der Todesnachricht die Schuld bei den Opfern gesucht, die Angehörigen aufs Revier mitgenommen und ein ganzes Jahrzehnt lang nach Drogen befragt, obwohl es dafür keinen Anhaltspunkt gab. Viel sorgsamer und mitfühlender sei sie dagegen mit der Mutter der Polizistin Michelle Kiesewetter umgegangen. Ihr habe die Polizei 10 Tage Zeit gegeben und ihr seelsorgerischen Beistand geleistet. „Die Polizei weiß also schon, wie man eine Todesnachricht einfühlsam überbringt“.

Im NSU-Prozess vermisste die Anwältin jegliches Schuldeingeständnis der betroffenen Beamten, jedes Fehlerbewusstsein und jede Entschuldigung bei den Familien der Opfer. Die Fehler hätten für die Polizisten keine Konsequenzen gehabt. Das Versprechen der vollständigen Aufklärung sei im Prozess nicht eingehalten worden. Verfassungsschutzmitarbeiter hätten keine Aussagegenehmigung erhalten und Akten seien nicht freigegeben worden. „Das Geheimhaltungsinteresse des Staates überwog das Aufklärungsinteresse in einem Mordfall. Wir sind damit gescheitert, ein bisschen Gerechtigkeit für die Opfer zu erreichen“, so ihr bitteres Fazit.

Gerichte ignorieren rechtsextreme Motive

Valéria Fekete beklagte eine Tendenz der Justiz, Fälle rechter Gewalt zu bagatellisieren. Weil die rassistischen, antisemitischen oder antiziganistischen Motive nicht benannt würden, komme es zu einer statistischen Untererfassung. Die Taten würden häufig als „sonstige“ oder „nicht zuordenbar“ eingeordnet und damit auch zu milde bestraft. Viele Taten von Reichsbürgern würden beispielsweise nicht als rechtsextremistisch motiviert bewertet.

Başay-Yıldız kritisiert die „strukturell rassistischen Ermittlungen“ im Fall der NSU-Morde. Sie fordert, dass der Staat Beamte aus dem Dienst entfernt, die in Chatgruppen eine eindeutig rechtsextreme Gesinnung zeigen, die mit den Aufgaben der Polizei nicht zu vereinbaren ist. Sie könne nicht glauben, dass es in der Polizei niemandem aufgefallen ist, wenn Kollegen den Hitlergruß zeigten oder über Juden lachten, die vergast worden sind. Leider würden solche Beamte aber von ihren Kollegen gedeckt. Keiner habe gegen einen anderen ausgesagt. Nötig sei daher, dass die Strukturen innerhalb der Polizei gestärkt werden.

MdL Arnulf von Eyb stimmt dem im Prinzip zu, sieht aber auch rechtliche Schwierigkeiten, Lebenszeitbeamte zu entlassen. Die 25.000 Polizisten in Baden-Württemberg seien ebenso wie die 120.000 Lehrerinnen und Lehrer ein Spiegelbild der Gesellschaft. Darunter gebe es auch ein paar schwarze Schafe. Dies dürfe aber nicht dazu führen, dass alle in einen Topf geworfen werden.

Solidarität mit den Opfern

Seda Başay-Yıldız sprach sich abschließend dafür aus, Solidarität mit den Opfern zu zeigen. Dies könne durch Spenden, durch Beteiligung an Demonstrationen oder auch dadurch geschehen, dass man eine Karte an sie schreibt. Diese Solidarität sei für die Betroffenen wertvoll und wichtig.

kath. Kirche distanziert sich von der AfD

Kurz vor den Landtagswahlen in Bayern und Hessen hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, die Positionen der AfD und der katholischen Kirche als „unvereinbar“ bezeichnet. Die Kirche müsse sich hier positionieren und deutliche Worte finden, sagte Bätzing zu Beginn der Herbstvollversammlung der katholischen Kirche in Wiesbaden. „Wir haben es hier mit einer Partei zu tun, die nicht eine Alternative für Deutschland ist, sondern die ein alternatives Deutschland will, ein fremdenfeindliches, ein antieuropäisches, ein nationalistisch aufgestelltes Deutschland – extremistisch erwiesenermaßen in bestimmten Personen und Teilen dieser Partei“, sagte Bätzing. „Davon können wir uns als katholische Kirche nur distanzieren.“

Quelle: dpa

Prof. Dr. Matthias Quent am 09.05.2023

Vortrag „Die extreme Rechte und der Tag X“

Am 09.05.2023 hielt Prof. Dr. Matthias Quent, Professor für Soziologie an
der Hochschule Magdeburg-Stendal, einen Vortrag „Die extreme Rechte und der Tag X“ vor knapp 80 Zuhörern in der Halle „Stadtgarten“ in Bad Mergentheim.

Hier der Pressebericht in den Fränkischen Nachrichten:
https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim_artikel,-bad-mergentheim-bad-mergentheim-die-neue-rechte-nicht-unterschaetzen-_arid,2083478.html

Prof. Dr. Matthias Quent am 09.05.2023
Bild: HP Kuhnhäuser

Pressemitteilung Veranstaltungsreihe „Tatort Bobstadt“

Netzwerk gegen Rechts Main-Tauber veranstaltet Reihe zum „Tatort Bobstadt“

Am 5. April beginnt vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart der Prozess gegen den „Reichsbürger“ Ingo K. aus Boxberg-Bobstadt. Der Angeklagte soll im vergangenen Jahr, als die Polizei eine Waffe einziehen wollte, geschossen und mehrere Polizisten verletzt haben. Im Zuge der Hausdurchsuchung wurden zwei Waffenkammern und Munition gefunden. Im Wohnzimmer stand ein Maschinengewehr. Neben Waffen wurden zahlreiche Neonazi-CDs und -Fahnen sichergestellt.

Das Netzwerk gegen Rechts Main-Tauber nimmt den Prozess zum Anlass, um mit einer dreiteiligen Veranstaltungsreihe über Neonazis, „Reichsbürger“ und deren Verstrickungen zu informieren. Die Reihe beginnt mit dem Vortrag „Die extreme Rechte und der Tag X“ von Matthias Quent. Quent ist Professor für Soziologie an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Er hat den Spiegel-Bestseller „Deutschland rechtsaußen“ geschrieben. Der Vortrag findet am 9. Mai um 19 Uhr (Einlass: 18.30 Uhr) in der Turnhalle Stadtgarten in Bad Mergentheim statt. Der zweite Teil der Reihe ist der Vortrag „‚Reichsbürger‘ – die unterschätzte Gefahr“ von Andreas Speit. Speit, der seit Jahren die Kolumne „Der rechte Rand“ in der taz schreibt, hat das Buch „Reichsbürger. Die unterschätzte Gefahr“ herausgegeben. Der Vortrag findet am 3. Juli um 19 Uhr (Einlass: 18.30 Uhr) in der Mediothek Boxberg statt. Die Reihe endet mit einer Podiumsdiskussion zum Thema „‚Reichsbürger‘ & rechte Gewalt in Deutschland – was tun?“. Daran nehmen Seda Başay-Yıldız (Rechtsanwältin der Nebenklage im Münchner NSU-Prozess), Arnulf von Eyb (Abgeordneter der CDU-Fraktion im Landtag Baden-Württemberg und ehemaliger Obmann im NSU-Untersuchungsausschuss Baden-Württemberg) und Valéria Fekete (Leuchtlinie – Beratung für Betroffene von rechter Gewalt in Baden-Württemberg) teil. Diese Veranstaltung, moderiert von der Journalistin Alice Robra, findet am 29. September um 19 Uhr (Einlass: 18.30 Uhr) in der Festhalle Gerlachsheim in Lauda-Königshofen statt.

Die Teilnahme an sämtlichen Veranstaltungen ist kostenfrei. Aus organisatorischen Gründen wird um eine Anmeldung per E-Mail an kontakt@ngrmt.de gebeten. Die Anmeldedaten werden gemäß DSGVO verarbeitet. Die Veranstaltungsreihe, die durch die Amadeu Antonio Stiftung, den DGB Heilbronn-Franken und kompetent vor Ort. Gegen Rechtsextremismus gefördert wird, soll Öffentlichkeit schaffen und die Ereignisse in Bobstadt ins Blickfeld rücken. Das Netzwerk gegen Rechts Main-Tauber fordert die Aufklärung der Tat und die Aufklärung der rechtsextremen Netzwerke.

Vortraege2023_Flyer

https://www.ngrmt.de/wp-content/uploads/2023/03/Vortraege2023_Flyer_Webseite.pdf

Diakon Reitzle weiter Internatsleiter

Am 18. November 2022 war in Assamstadt eine AfD Veranstaltung mit Hoecke als Hauptredner. Einer der Gäste war der Diakon und Leiter des bischöflichen Internats “Maria hilf” Bad Mergentheim, Andreas Reitzle. Er ließ sich im Anschluss an die Veranstaltung von Höcke das Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“ signieren und ermunterte ihn, wie bisher weiterzumachen – bewiesen durch ein Video der Veranstaltung, das die AfD selbst veröffentlicht hat.

Als Folge wurde Reitzle von der Diözese abgemahnt und er sollte eine Auszeit einlegen. Wie heute bekannt wurde hat die Diözeze nun aber entschieden, dass Reitzle im Amt bleibt und einfach weitermachen kann.
https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/heilbronn/keine-auszeit-fuer-internatsleiter-maria-hilf-bad-mergentheim-nach-afd-kontakt-100.html

Aus der Sicht unseres Netzwerk gegen Rechts Main-Tauber eine gravierende Fehlentscheidung! Wer so nahe an der AfD steht und Fan des Faschisten Höcke ist, ist völlig ungeeignet Kinder und Jugendliche zu erziehen!

Offener Brief an die Eltern der Schülerinnen und Schüler des Internats Maria hilf, Bad Mergentheim

Liebe Eltern des Internats Maria hilf,

sicher haben Sie in den Medien die Berichte über den Leiter des Bischöflichen Internats Maria hilf in Bad Mergentheim verfolgt. Andreas Reitzle hat am 18. November 2022 eine Veranstaltung der AfD-Bundestagsfraktion in der Asmundhalle in Assamstadt besucht, sich dort vom rechtsextremistischen Vorsitzenden der Thüringer Landtagsfraktion der AfD, Björn Höcke, sein Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“ signieren lassen und ihm zum Abschied „Weiter so“ zugerufen. Nachträglich bezeichnete er dies als Fehler, erklärte jedoch gleichzeitig seine Sympathie für die familienpolitischen Vorstellungen der AfD. Er habe eine neue politische Heimat gesucht, die er bei keiner anderen Partei mehr gefunden habe. Gegenüber den Fränkischen Nachrichten erklärte Herr Reitzle, noch nie an einer Demonstration der AfD teilgenommen zu haben. Fotos, die ihn auf der Demonstration der AfD am 5.12.2021 in Bad Mergentheim zeigen, widersprechen seiner Aussage.

Die fremdenfeindliche, homophobe, rassistische und staatsfeindliche Politik der AfD halten wir vom Netzwerk gegen Rechts Main-Tauber für unvereinbar mit der besonderen Verantwortung für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, die Internatsleiter Reitzle hat. Sie sind auch nicht vereinbar mit dem christlichen Gebot der Nächstenliebe, dem er sich als Leiter einer katholischen Einrichtung verpflichtet fühlen müsste. Herr Reitzle hat zwar rechtsextreme Positionen bestritten, sich aber nicht von der AfD distanziert. Er zeigte im Gegenteil Sympathien für sie. Seine Aussage, er habe zwar an Demonstrationen von Querdenkern teilgenommen, noch nie aber an einer der AfD, entspricht nicht der Wahrheit.

Die Diözese Rottenburg-Stuttgart, als Träger des Internats, hat konsequent gehandelt indem sie Herrn Reitzle abmahnte und ihm eine Auszeit in einer kirchlichen Einrichtung verordnete. Darüber hinaus wurde er verpflichtet, sich bei Ihnen als Eltern der Internatsschülerinnen und -schüler zu erklären und bei dem Journalisten zu entschuldigen, den er wegen dessen Enthüllung verunglimpft hat. Eine Amtsenthebung ist indes im Moment nicht vorgesehen. Anders formuliert: Nach seiner Auszeit wird er nach heutigem Stand seine bisherige Tätigkeit wohl wieder aufnehmen. Wir vom Netzwerk gegen Rechts Main-Tauber meinen, dass er sich selbst dafür disqualifiziert hat und halten eine Wiederaufnahme seiner bisherigen Tätigkeit für unangemessen. Was meinen Sie?

Sein Kind in die Obhut fremder Menschen zu geben setzt ein großes Vertrauen voraus. Sein Kind einem kirchlichen Internat anzuvertrauen geschieht sicherlich auch aus dem Wunsch heraus, dass es im Sinne christlicher Werte erzogen werden soll. Wir glauben, dass gerade Sie als Eltern auf die Frage, ob Herr Reitzle nach den aktuellen Geschehnissen als Internatsleiter für diese Aufgabe Ihrer Ansicht nach noch geeignet ist und in Ihren Augen „die richtigen Akzente“ setzen wird, selbst eine Antwort finden und diese ggf. auch der Diözese mitteilen sollten.