Archiv für den Monat: Juli 2019

Den Mund aufmachen

Endlich sind Ferien. Da geht es langsamer und entspannter zu. Und das genieße ich vom ersten Tag an. Aber es gibt auch ein Thema, das mich belastet. Und weil die Ferien auch Zeit zum Nachdenken bieten, spreche ich heute darüber. Über die Radikalisierung der politischen Rechten bei uns in Deutschland.

„Wehret den Anfängen!“ So lautet eine Warnung, wenn es darum geht, Schlimmes zu verhindern: einen Krieg oder eine politische Gefahr. Was die Radikalisierung der Rechten angeht, fürchte ich, dass es bereits zu spät ist. Da sind wir schon über die Anfänge hinaus. Und das ist fatal.

Seit dem hinterhältigen Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke achte ich noch mehr darauf, was in dieser Szene geschieht. Und ich habe mir vorgenommen, von nun an deutlicher Stellung zu beziehen: gegen alle Gruppen, die unsere Demokratie kaputt machen wollen.

  • Sie missachten unsere rechtsstaatlichen Spielregeln und rufen zur Lynchjustiz auf.
  • Hilfesuchende Fremde, die zu uns kommen, werden zu Menschen zweiter Klasse erklärt.
  • Mit pauschalen Feindbildern werden Sündenböcke gesucht; ganz oft muss „der“ Islam dafür herhalten.
  • Auf den politischen Gegner soll „Jagd gemacht“ werden; so der Wortlaut nach der Bundestagswahl, der laufend bei Kundgebungen der Rechten wiederholt wird. Das hört sich so an, als wäre es normal, den Tod des Gegners mit einzukalkulieren.

Ich kritisiere das ausdrücklich als Christ, weil sich solch eine politische Einstellung nicht mit meinen Werten, nicht mit dem Evangelium vereinbaren lässt. Jesus verkündet einen Gott, der sich eben nicht an den äußeren Umständen wie Hautfarbe, Herkunft oder Glaubensrichtung aufhält. Sein Interesse gilt zuerst immer den Armen, denen, die Hilfe brauchen. Und vor allem: Gewalt ist für ihn nie eine Option. Ich fordere deshalb alle Christen und alle Menschen guten Willens auf: „Haltet nicht mehr still! Schweigt nicht mehr! Es ist höchste Zeit, dass wir dem etwas entgegensetzen.“

Ich weiß, die Parteien, deren Inhalte ich kritisiere, sitzen in fast allen Landesparlamenten. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass sie demokratisch sind. Ich mache mir große Sorgen, dass es deren Ziel ist, die Parlamente als Sprungbrett zu benützen, um von dort unsere freiheitliche Ordnung zu zerstören.

Ich merke: Wir brauchen ein starkes Bündnis all derer, die sich dieser Unmenschlichkeit, diesem Hass, dieser Gewalt nicht beugen. Das wird nur klappen, wenn alle Institutionen, die unseren Rechtsstaat schützen wollen, an einem Strang ziehen: der Verfassungsschutz, die politischen Parteien, die Kirchen. Und viele einzelne Menschen wie ich.

Thomas Steiger aus Tübingen von der Katholischen Kirche.

Quelle: https://www.kirche-im-swr.de/?page=manuskripte&id=29145 und im Radio SWR1 am 29.07.2019

Verfassungsschutz stuft Identitäre Bewegung (IB) als rechtsextremistisch ein

Der Verfassungsschutz hat die Identitäre Bewegung (IB) als rechtsextremistisches Beobachtungsobjekt eingestuft. Das bedeutet, dass der deutsche Ableger der in Frankreich gegründeten Bewegung ab sofort mit dem kompletten Instrumentarium an nachrichtendienstlichen Mitteln der Informationsbeschaffung beobachtet werden darf. Dazu zählen auch die Observation und der Einsatz von V-Leuten. Der Inlandsgeheimdienst stellte fest, die IB-Positionen zielten darauf ab, „Menschen mit außereuropäischer Herkunft von demokratischer Teilhabe auszuschließen und sie in einer ihre Menschenwürde verletzenden Weise zu diskriminieren“. Für die IB könnten „Menschen ohne gleiche ethnische Voraussetzungen“ niemals Teil einer gemeinsamen Kultur sein. Dies sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.

Der Verfassungsschutz hatte die IB vor drei Jahren als „Verdachtsfall“ eingestuft. Seither hat die Bewegung versucht, Anhänger für ihre Theorie vom angeblich politisch gewollten „Austausch“ der einheimischen Bevölkerung gegen vorwiegend muslimische Migranten zu gewinnen. „Diese geistigen Brandstifter stellen die Gleichheit der Menschen infrage“, sagte Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang.

Am Donnerstag sprach sich Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) dafür aus, die rechte Szene intensiver zu beobachten. „Die Bekämpfung des Rechtsextremismus muss für Sicherheitsbehörden und Justiz noch stärker in den Fokus rücken“, sagte sie nach einer Konferenz der SPD-Innenminister in Potsdam.

dpa