1. Mai Kundgebung in Tauberbischofsheim


Ins Frühjahr starten wir mit einem ganz Großen der deutschsprachigen Literatur – mit dem Literaturnobelpreisträger Thomas Mann nämlich, dessen 150. Geburtstag am 6. Juni gefeiert wird, nachdem 2024 schon ausgiebig das 100. Jubiläum des Erscheinens seines Romans „Der Zauberberg“ begangen wurde. Wir wollen da auf keinen Fall nachstehen. Und präsentieren Ihnen am Donnerstag, 8. Mai, eine gar nicht so bekannte Seite Thomas Manns.
Im Gegensatz zu seinem Bruder Heinrich war Thomas Mann in jungen Jahren ein ziemlich konservativer Geist. In seinen „Betrachtungen eines Unpolitischen“, erschienen 1918, goutierte er die deutsche Kriegspolitik und polemisierte gegen demokratisch-westliche Werte. Dem Begriff der Zivilisation setzte er den der Kultur entgegen. Heinrich Mann gehörte eindeutig zu den von Thomas verachteten Zivilisationsliteraten.
Aber niemand ist dazu verurteilt, ein Reaktionär zu bleiben. Thomas Mann machte in seinem politischen Denken einen erstaunlichen Wandel durch und wurde im Lauf der 1920er Jahre zu einem überzeugten Demokraten. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten und während des Exils in den USA – auch auf Drängen seiner Kinder Erika und Klaus – wurde er gar zu einem kämpferischen Antifaschisten.
„Ich kann mir nicht helfen: es tut doch wohl, Hitler so recht ins Gesicht hinein einen blödsinnigen Wüterich zu nennen“, schrieb Thomas Mann in einem Brief. Ab 1940 sendete er seine Anti-Kriegsreden: In 58 verzweifelten, glühenden humanistischen Appellen redete er den deutschen Hörern bis November 1945 ins Gewissen. Seine Radioansprachen, auf abenteuerlichen Wegen von der BBC nach Europa übertragen, sind einzigartige Dokumente eines aufrechten Deutschen und nun gerade neu herausgekommen.
„Der Thomas Mann der Radioansprachen ist ein über sein Land verbitternder und enttäuschter Schriftsteller“, schreibt die Schriftstellerin Mely Kiyak. „Er hat für die Faschisten, die ‚die Welt in Nacht und Grauen‘ hüllen, nur ein Gefühl übrig: Hass. Ja, er hasst die Nazis aus der Tiefe seines poetischen und politischen Herzens.“
An diese Reden, an den 80. Jahrestag des Kriegsendes und den 150. Geburtstag von Thomas Mann will „Literatur allerorten“ erinnern: Der große Thomas-Mann-Abend findet am Donnerstag, 8. Mai, um 19 Uhr im Evangelischen Gemeindezentrum in Bad Mergentheim statt. Mit dabei sind die Schriftstellerin Charlotte Gneuß, der Thomas-Mann-Kenner Friedhelm Marx, der Lektor und Verleger Sebastian Guggolz und, als Rezitator, der Schauspieler Rainer Appel.
Die vier werden anhand der Reden an die „Deutschen Hörer!“ Manns Kampf gegen den Nationalsozialismus und die Zeit im Exil nachzeichnen und ausleuchten – und darüber nachdenken, was diese Radioansprachen uns in den heutigen, politisch turbulenten Zeiten zu sagen haben.
Charlotte Gneuß, 1992 in Ludwigsburg geboren, hat vor zwei Jahren den aufsehenerregenden Roman „Gittersee“ veröffentlicht – und sie engagiert sich in Meinungsbeiträgen auch politisch.
Sebastian Guggolz ist Gründer und Leiter des Guggolz Verlags und verantwortlich für den Klassikerbereich des S. Fischer Verlags, wo die Neuausgabe von „Deutsche Hörer!“ erschienen ist; er war schon mehrmals zu Gast bei der Bad Mergentheimer „Winterlese“.
Friedhelm Marx ist Literaturwissenschaftler an der Universität Bamberg, hat sich immer wieder intensiv mit Thomas Mann beschäftigt, dessen Essays herausgegegen und ist Vizepräsident der Deutschen Thomas-Mann-Gesellschaft.
Auch der Würzburger Schauspieler und Sprecher Rainer Appel war schon öfter bei der „Winterlese“ dabei. Er wird Thomas Mann an diesem Abend seine Stimme leihen.
Der Abend findet statt in Kooperation mit dem „Netzwerk gegen Rechts Main-Tauber“ und ist für alle politisch, historisch und literarisch Interessierten ein Muss.
Karten gibt es wie immer im ermäßigten Vorverkauf für 12 Euro bei der Buchhandlung Moritz und Lux (Tel.: 07931/51088). Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten bezahlen einen Sonderpreis von 5 Euro – gerade auch für eine jüngere Generation dürfte der an diesem Abend vorgestellte Autor der „Buddenbrooks“ eine beeindruckende Neuentdeckung sein.
Wir freuen uns auf Sie!