Offener Brief an die Eltern der Schülerinnen und Schüler des Internats Maria hilf, Bad Mergentheim

Liebe Eltern des Internats Maria hilf,

sicher haben Sie in den Medien die Berichte über den Leiter des Bischöflichen Internats Maria hilf in Bad Mergentheim verfolgt. Andreas Reitzle hat am 18. November 2022 eine Veranstaltung der AfD-Bundestagsfraktion in der Asmundhalle in Assamstadt besucht, sich dort vom rechtsextremistischen Vorsitzenden der Thüringer Landtagsfraktion der AfD, Björn Höcke, sein Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“ signieren lassen und ihm zum Abschied „Weiter so“ zugerufen. Nachträglich bezeichnete er dies als Fehler, erklärte jedoch gleichzeitig seine Sympathie für die familienpolitischen Vorstellungen der AfD. Er habe eine neue politische Heimat gesucht, die er bei keiner anderen Partei mehr gefunden habe. Gegenüber den Fränkischen Nachrichten erklärte Herr Reitzle, noch nie an einer Demonstration der AfD teilgenommen zu haben. Fotos, die ihn auf der Demonstration der AfD am 5.12.2021 in Bad Mergentheim zeigen, widersprechen seiner Aussage.

Die fremdenfeindliche, homophobe, rassistische und staatsfeindliche Politik der AfD halten wir vom Netzwerk gegen Rechts Main-Tauber für unvereinbar mit der besonderen Verantwortung für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, die Internatsleiter Reitzle hat. Sie sind auch nicht vereinbar mit dem christlichen Gebot der Nächstenliebe, dem er sich als Leiter einer katholischen Einrichtung verpflichtet fühlen müsste. Herr Reitzle hat zwar rechtsextreme Positionen bestritten, sich aber nicht von der AfD distanziert. Er zeigte im Gegenteil Sympathien für sie. Seine Aussage, er habe zwar an Demonstrationen von Querdenkern teilgenommen, noch nie aber an einer der AfD, entspricht nicht der Wahrheit.

Die Diözese Rottenburg-Stuttgart, als Träger des Internats, hat konsequent gehandelt indem sie Herrn Reitzle abmahnte und ihm eine Auszeit in einer kirchlichen Einrichtung verordnete. Darüber hinaus wurde er verpflichtet, sich bei Ihnen als Eltern der Internatsschülerinnen und -schüler zu erklären und bei dem Journalisten zu entschuldigen, den er wegen dessen Enthüllung verunglimpft hat. Eine Amtsenthebung ist indes im Moment nicht vorgesehen. Anders formuliert: Nach seiner Auszeit wird er nach heutigem Stand seine bisherige Tätigkeit wohl wieder aufnehmen. Wir vom Netzwerk gegen Rechts Main-Tauber meinen, dass er sich selbst dafür disqualifiziert hat und halten eine Wiederaufnahme seiner bisherigen Tätigkeit für unangemessen. Was meinen Sie?

Sein Kind in die Obhut fremder Menschen zu geben setzt ein großes Vertrauen voraus. Sein Kind einem kirchlichen Internat anzuvertrauen geschieht sicherlich auch aus dem Wunsch heraus, dass es im Sinne christlicher Werte erzogen werden soll. Wir glauben, dass gerade Sie als Eltern auf die Frage, ob Herr Reitzle nach den aktuellen Geschehnissen als Internatsleiter für diese Aufgabe Ihrer Ansicht nach noch geeignet ist und in Ihren Augen „die richtigen Akzente“ setzen wird, selbst eine Antwort finden und diese ggf. auch der Diözese mitteilen sollten.